110 Jahre - Allstedter Domuhr
von Helmut Kunert
Vor 110 Jahren herrschte große Freude im damaligen Stadtviertel am Dom. Wie wir aus dem Gedicht der „Turmschwalbe“ aus der Allstedter Zeitung vom 5.5.1906 entnehmen können war eine neue Uhr im Turm der St. Wigberti Kirche eingebaut worden.
Für uns heute ist diese Freude über die Uhr nicht mehr so leicht nachvollziehbar, den in jedem Haushalt, an fast jedem Arm oder in jedem Handy „tickt“ eine Uhr und man kann ständig die genaue Uhrzeit feststellen.
Damals war dies anders, Uhren gehörten noch nicht zur allgemeinen Ausstattung, man war auf die im Rathaus und in dem Domturm angebrachten Uhren angewiesen. Die Schläge der Uhren, welche weit hin zu hören waren (und heute wieder zu hören sind) regelten den Ablauf des Tages.
Allstedter Zeitung, 05.05.1906
Die neue Domuhr.
Dem Glücklichen schlägt keine Stunde,
so hört man oft aus manchem Munde!
Und doch war`s lange schlimm gar sehr,
daß uns schlug keine Stunde mehr.
Von unserm alten Münzer-Turm,
der treu uns blieb bei allem Sturm,
und der uns grüßt aus alter Zeit
als Denkmal der Vergangenheit.
Die Hausfrau hatte viel Verdruss,
da sie doch pünktlich seien muss.
Das Essen bringt sie gern auf den Tisch,
recht gut gekocht, das ist gewiss.
Doch das Fleisch war hart, die Klöße schwer;
es schlug ihr keine Stunde mehr.
Die Frauen, die am Brunnen stehen,
die Kinder, die zur Schule gehen,
wer mit dem Zug schnell fort noch wollte,
wer bald zum Biertisch kommen sollte,
sie all` versäumten sich oft sehr:
es schlug ja keine Stunde mehr!
Doch heut`, heut` tönt zum ersten Mal
der Domuhr Schlag über Berg und Tal.
Drum freuet sich auch groß und klein,
nun schlägt die Uhr jahraus- und ein.
O, möchte sie in Jahr und Tagen
allen viel gute Stunden Schlagen.
Eine Turmschwalbe.
Aus dem Gedicht können wir entnehmen das die Domuhr schon länger Zeit defekt war. Über diese alte Uhr wissen wir leider nichts, von der neuen finden sich in der Allstedter Zeitung jedoch einige Artikel. Am 24.02.1916 wurde im Gemeinderat der Beschluss gefast, die Lieferung einer neuen Uhr für den Domturm, an den Uhrmacher E. Barth für den Preis von 735,00 Mark zu Übertragen. Im Adressbuch von 1900, finden wir den Uhrmacher Erdmann Barth, in der Breitenstraße 27, aufgeführt.
Er hat diese Uhr aber nicht selber gebaut, sondern bei der Firma Kühn in Gräfenroda gekauft und von ihnen aufbauen lassen. Bereits am 10. 05.1906 erscheint in der Allstedter Zeitung nachfolgender Artikel: „Die neue Domuhr mit Stunden- und Viertelstundenschlag, zu der auf Wunsch der Einwohnerschaft
Im „Domviertel“ der Gemeinderat in entgegenkommender Weise die Kosten verwilligt hat, ist nach erfolgter Aufstellung bereits im Gang. Möge sie allen, die ihren Ton vernehmen, recht viele glückliche Stunden schlagen!“ Und dies tut sie nun seit 110 Jahren, was für eine Leistung!
Im Jahre 1994 restauriere der Uhrmachermeister Karl-Heinz Hecht aus Wiehe die Uhr und baute sie vom Dachgeschoss zum heutigen Standort um. Bei diesen Umbauarbeiten wurde sie mit einem elektrischen Aufzug versehen. Bis dahin musste die Uhr jede Woche von Hand aufgezogen werden, diese Tätigkeit sollte immer regelmäßig erfolgen. Bis jetzt sind mir die Namen Paul Graf und Hans Jahn bekannt, welche dies durchgeführt haben. Heute zieht die Uhr sich Zeitgesteuert elektrisch selbst auf. Trotzdem braucht sie hin und wieder eine kleine Hilfe. Durch die Temperaturschwankungen, welche sich auf das mechanische Uhrwerk auswirken, muss sie immer mal neu eingestellt werden, sonst geht sie mal vor oder zurück. Diese Aufgabe erfüllt heute Herr Gärtner, welcher die Uhr in seine Pflege genommen hat. Aber ich meine man sollte der „alten Dame“ mit 110 Jahren verzeihen, wenn sie nicht auf die Minute genau geht.
Anmerkung:
Im Jahre
1906 wurde im „Dom“ ein Altertümer-Museum eingerichtet, welches durch eine Kommission, bestehend aus den Herren Bürgermeister Dr. Berger, Gemeinderats -Mitgliedern Möricke, Große, Perrottet sowie Medizinalrat Dr. Rauch betreut wurde.